Roy Mordechay gehört mit seinem Entwurf 'Hand an einer Ferse' zu den vier Finalisten des internationalen Kunstwettbewerbs für den Kölner Dom
Projektteam:
- Julia Reich (Recherche, Text & Projektbetreuung)
- Justus Beyerling (Redaktion)
- Oleh Federov (Design & 3D-Animation)
Der Entwurf von Roy Mordechay sieht eine Neugestaltung des nördlichen Querhausfensters des Kölner Doms vor. Ziel ist es, die historisch-religiöse Bedeutung der bildlichen Erzählungen über die Trennung zwischen Christentum und Judentum kritisch zu hinterfragen. Einerseits wird aus zeitgenössischer Perspektive die Schlüsselstellung sakraler Glasmalerei im Dom aufgegriffen, andererseits wird diese durch motivische Ergänzungen und ästhetische sowie material- und produktionstechnische Innovationen erneuert. Mordechay schlägt ein Reliefprogramm vor, das fragmentarisch auf die alttestamentarische Geschichte der rivalisierenden Brüder Jakob und Esau verweist – eine vielschichtige Anspielung auf das konfliktreiche und wechselvolle Verhältnis zwischen Christen und Juden. Darüber hinaus transformiert und interpretiert der Entwurf antijüdische Bildzeugnisse aus dem Kölner Dom in neuer, ästhetisch reflektierter Weise um.
Das künstlerische Konzept zielt darauf ab, eine Brücke zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu schlagen. Es möchte die Konstruktion des „Anderen“ innerhalb des christlich-jüdischen Verhältnisses dekonstruieren und zur kritischen Reflexion einladen. Das neue Fenster soll zu einem Raum des Hinterfragens werden – ein Ort, an dem überkommene Erzählungen sichtbar gemacht und ihre Auswirkungen auf die Gegenwart erlebbar werden.
Gestalterisch zeichnet sich der Entwurf durch einen diagonalen Farbverlauf aus, der sich über das gesamte Fenster erstreckt. Von einem leuchtenden Gelb bis hin zu zartem Rosa entsteht durch
aufgesetzte Glasreliefs der Eindruck eines Sonnenauf- oder
-untergangs. Der Entstehungsprozess verbindet traditionelle Materialien und Techniken mit zeitgenössischer Kunstpraxis: In der ersten Schicht wird der Gelbton mit klassischem Silbergelb auf
Trägerglas aufgetragen und eingebrannt. Für die Rosatöne kommt mundgeblasenes, echtes Antikglas in Goldrosa zum Einsatz. Der Farbverlauf entsteht manuell durch die Kombination von Silbergelb und
Ätztechnik. Eine dritte Schicht besteht aus feinen Reliefs, die durch Heißverformung nach handwerklichen Entwürfen des Künstlers gefertigt werden. Sie scheinen vor dem Hintergrund des Fensters zu
schweben und durchbrechen bewusst die strenge gotische Symmetrie des Doms. Ihre Bedeutungen bleiben offen für individuelle Interpretationen. Einige Reliefs nehmen Bezug auf die Geschichte von
Jakob und Esau – etwa das Motiv „Hand an einer Ferse“, das den Moment zeigt, in dem Jakob bei der Geburt Esaus dessen Ferse ergriff. Diese Geste, oft als Urszene des ambivalenten
christlich-jüdischen Verhältnisses gedeutet, erfährt hier eine versöhnliche Neuinterpretation. Andere Reliefs nehmen Bezug auf antijüdische Darstellungen im Dom selbst, etwa im benachbarten
„Kinderfenster“. Das transparente Gesamtkonzept des Fensters zielt auf ein intensives, vielschichtiges Spiel mit dem Licht und bringt ein neues, lebendiges Strahlen in das bislang eher dunkel
wirkende nördliche Querschiff des Kölner Doms.
3D-Animation von Oleh Fedorv